Krieg & Frieden
- mail4679
- 17. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Ende Juni war ich beruflich als Prozessbegleitung am Bodensee unterwegs. Eines der Themen war die Situation geflüchteter Menschen aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“.
Ich sprach mit Fachkräften aus Baden-Württemberg und Bayern – engagierte Menschen, die berichten, wie gut integrierte Familien abgeschoben werden: Eltern in Arbeit oder Deutschkurs, Jugendliche in Ausbildung, Kinder in Kitas – mitten aus dem Leben gerissen, oft nachts, um sie „sicher“ anzutreffen.
Wenn Praktikabilität über das Kindeswohl gestellt wird
Diese nächtlichen Abschiebungen mögen aus behördlicher Sicht praktikabel sein. Die Familien sind nachts sicher anzutreffen und es ist auch nicht die Gegenwehr des Umfeldes zu erwarten, wie bei dem Fall in Isney. (Nachzulesen u.a. bei der Allgäuer zeitung 26.3.25: Ein junger Mann aus Äthiopien wurde während seiner Ausbildung im Altenhilfezentrum St. Elisabeth in Isny unter laufendem Dienst von vier Polizist:innen abgeholt – mitten in der Schicht. )
Für die betroffenen Familien – und für alle, die dies miterleben und vielelicht "die Nächsten" sein könnten– haben Situationen wie diese auf jeden Fall Trauma-Potential:
Familien, die über Nacht alles verlieren, was sie sich mühsam aufgebaut haben und behandelt werden, als wären sie Täter und nicht die Opfer.
Wir verlieren nicht nur „die Falschen“.
Wir verlieren Nachbar:innen, Kolleg:innen, Freunde.
Wir verlieren Vertrauen – und unsere eigene Glaubwürdigkeit.
Friedensräume Lindau – ein Ort, der nachwirkt
Nach diesen intensiven Gesprächen besuchte ich die Friedensräume Lindau – ein stiller und kraftvoller Ort direkt am Bodensee.
Kein Museum im klassischen Sinn, sondern ein Erfahrungsraum. Für Schulklassen, Gruppen, Einzelpersonen. Für Menschen, die Auseinandersetzung und Antworten suchen zum Thema Frieden.
Die Ausstellung „Friedensklima“ zeigt: Frieden ist gestaltbar
In der aktuellen Ausstellung geht es um „Friedensklima – 17 Ziele für Gerechtigkeit und Frieden“. Die Räume laden ein zur Auseinandersetzung mit großen Themen – und mit sich selbst:
LeseRaum: Gedichte, Gedanken, Friedenserklärungen
HörRaum: Musik, Stimmen, Fragmente – zum Lauschen
ZwischenRaum: Geschichten von Menschen auf der Flucht – berührend, direkt
EntscheidungsRaum: Hier stehen wir buchstäblich zwischen Thron, Hocker und Boden – und spüren, wie sich Macht, Ohnmacht, Unterwerfung und Gleichwertigkeit anfühlen
GartenRaum: Ein friedlicher Ort zum Innehalten
Besonders der EntscheidungsRaum hat mich zum Nachdenken gebracht: Wie oft nehmen wir unbewusst Haltung ein? Wie schnell ordnen wir uns unter – oder erheben uns über andere? Was bedeutet es, Verantwortung zu übernehmen, ohne zu dominieren? Die Sitzinstallationen in den Friedensräumen sind Denk- und Experimentierfeld zum komplexen Thema Frieden. Die Besucher:innen können Platz nehmen und sich mit Fragen zu Macht und Ohnmacht, Ansehen und Unterwerfung , ... auseinander setzen. Eine Zone des Dialogs! Ich teile ein paar Gedanken und Bilder mit euch, die vielleicht auch für euren Arbeitskontext relevant sind.

Wer hat in unserer Gesellschaft den Vorsitz - und warum?
Welche Privilegien und Verantwortungen sind damit verbunden?
Was kannst du für die Vision tun, dass alle Menschen einen würdigen Platz haben?



Frieden beginnt mit der Frage: Wie wollen wir leben?
Gerade in einer Zeit, in der wieder über Krieg, Mobilmachung und Grenzen gesprochen wird, brauchen wir solche Orte wie die Friedensräume.
Sie erinnern uns daran, dass Frieden kein Zustand ist, sondern eine Haltung.
Etwas, das wir gestalten – oder verlieren.
Besuchstipp
Wenn ihr in der Nähe seid – nehmt euch Zeit für diesen besonderen Ort:
Friedensräume Lindau
Villa Lindenhof
Lindenhofweg 25
88131 Lindau (Bodensee)

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